Krankenjournale v. Bönninghausens
In Bezug auf den § 84 Organon V (und VI), wo es heißt, der Arzt solle beim Krankenexamen alles genau aufschreiben, muss, nach Meinung v. Bönninghausens, ausreichende Kenntnis und Routine vorausgesetzt, nur das für die Mittelwahl wichtige aufgeschrieben werden. Er verweist dabei auf § 83 (dass der Krankheitsuntersucher nur das für den jedesmaligen Fall Anwendbare beibehalten muss), auf noch andere, aber nicht näher angegebene Stellen im Organon, und vor allem auf den § 153 Organon, wo es ja heißt, dass die auffallenderen, sonderlichen, ungemeinen und eigenheitlichen (charakteristischen) Zeichen und Symptome der Krankheit vorzüglich und fast einzig fest ins Auge zu fassen sind, und dass vorzüglich diesen Symptomen sehr ähnliche in der Symptomenreihe der gesuchten Arznei entsprechen müssen.
"Die Ermittlung solcher charakteristischer Zeichen ist also die Hauptaufgabe, und das in dieser Hinsicht Ermittelte muss aufs Sorgfältigste in das Journal eingetragen werden. Ein einziges solches charakteristisches und nach allen Richtungen hin vollständiges Symptom wiegt in der Regel bei der Mittelwahl schwerer als eine lange Reihe von allgemeinen Krankheitszeichen, die fast bei jedem Kranken und ebenso unter den Prüfungsergebnissen fast aller Arzneien angetroffen werden.“[1] [Hervorhebung durch den Bearbeiter]
Daher ist beim Studium von v. Bönninghausens überaus wertvollen und sehr zahlreichen (allerdings schwierig zu entziffernden) Krankenjournalen zu beachten, „...daß meine Krankheitsbilder, die bei meiner, wie man sieht, ausgedehnten Praxis nur kurz und flüchtig aufgezeichnet und nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind, nirgends zum Muster dienen sollten. In der Regel wurde zehnmal mehr beobachtet und ausgefragt, als aufgeschrieben, und letzteres hauptsächlich nur, um beim folgenden Besuch die Erforschung besser an das vorhergehende anknüpfen zu können. Der sehr beschäftigte Arzt hat in der Tat keine Zeit, solche lange und umständliche Krankheitsbilder aufzuschreiben, wie wir sie oft in den Journalen lesen...“[2] [Nicht kursive Hervorhebung durch den Bearbeiter]
und „...dass, weil ich schwerlich die Zeit habe, jeden Sachverhalt, jedes Symptom oder jede Indikation umständlich niederzuschreiben, ich deshalb gezwungen bin mich auf diejenigen Symptome und charakteristischen Indikationen zu beschränken, die sich unmittelbar auf die Wahl des Mittels beziehen, was [welche Fähigkeit dazu] nur nach ausgedehntem und beharrlichem Studium der homöopathischen RAL erworben werden kann.“[3] [Hervorhebung durch den Bearbeiter]
[1] KMS 748 (1863)
[2] KMS 282 (1842)
[3] KMS 421 (1852)