Kuhpockenimpfung
In v. Bönninghausens Krankenjournalen sind mehr als 3000 (!) Fälle verzeichnet, bei denen das erste Auftreten der Skrophulose[1] kurze Zeit, oft sogar unmittelbar nach der Pockenimpfung stattfand. Er vermutet den Grund nicht in den Kuhpocken, die er als wahres homöopathisches Heilmittel betrachtet, sondern in einer Verunreinigung des Impfstoffes mit "Skrophelgift", wenn er von (latent) psorischen Kindern entnommen wurde.[2] Die, vorzüglich durch die Kuhpockenimpfung immer mehr verbreitete Skrofel-Seuche gehört zur Psora und in vielen Fällen eigentlich nur akuter Krankheiten (wie Grippe, Nervenfieber, Wechselfieber, und z.T. Cholera und andere) helfen (v. Bönninghausen vermutet: deswegen) nur Antipsorika schnell und dauerhaft.[3] Durch die Pockenimpfung wird aber nicht nur die Psora, sondern auch die Sykose verbreitet.
Nach tausendfältiger Erfahrung fangen viele Kinder, die vorher ganz gesund waren, nicht lange nach der Pockenimpfung chronisch zu kränkeln an. Die Symptome weisen am häufigsten auf folgende, mit der Thuj verwandte Mittel hin, von denen die fett gedruckten erwiesenermaßen gegen Feigwarzen wirksam sind, die anderen „aber sämtlich die deutlichsten Andeutungen von sykotischen Beschwerden enthalten.“:
Ant.-c, Ant-t, Calc, Caps, Caust, Cham, Dulc, Euphr, Hep, Jod, Lach, Lyc, Merc, Nit-ac, Nux-v, Ph-ac, Ran-b, Sabin, Sars, Sec, Sep, Sil, Staph, Sulf und Thuj.
▶ „Wenn nun, wie Jeder von uns erfahren haben muss, manche chronische Leiden den anscheinend genau homöopathisch gewählten und richtig angewendeten Mitteln hartnäckigen Widerstand leisten, und häufig nur erst bei Anwendung der einen oder andern von den obengenannten Arzneien einige, oft aber auch nur ungenügende Besserung zeigen, so liegt, wie es scheint, der Schluss ganz nahe, dass - risum teneatis, amici ![4] - hier die Sykosis ebenso, wie anderwärts die Syphilis oder die Psora, im Hintergrunde liegt und die heilkräftige Wirkung verhindert. [Nicht kursive Hervorhebung durch den Bearbeiter]
▶ Es scheint daher für die Erfolge der Praxis von nicht geringer Erheblichkeit, in geeigneten Fällen und besonders in solchen, wo die obengenannten Arzneien angezeigt sind, bei zögernder oder ungenügender Wirkung derselben, eine Zwischengabe von hochpotenzierter Thuj zu reichen, wie solches bisher schon mit dem Schwefel und dem Quecksilber geschah. Die Vorteile eines solchen Verfahrens darf ich aus eigener wiederholter Erfahrung vollkommen bestätigen,...“[5] [Nicht kursive Hervorhebungen durch den Bearbeiter]
Nach v. Bönninghausens Überzeugung und Erfahrung könnte die Thuj die Pockenimpfung ersetzen, da sie als Spezifikum gegen die Variola in der Lage ist „diese Krankheit ohne Schmerzen und ohne die geringste Gefahr in weniger als 8 Tagen auszuheilen, ...ohne irgendeine Verwachsung oder Spur auf der Haut zu hinterlassen und ohne irgendeinen Keim einer anderen Krankheit in den menschlichen Körper zu schleusen...“[6] (in seltenen Fällen: unter Zwischengabe von Merc) und bei noch nicht erkrankten Angehörigen prophylaktisch wirksam ist. [7]
[1] Diagnostische Kennzeichen der Skrophulose: „...Blutarmut, mattweiße Zähne, dicke Nasenflügel mit deutlicher und tiefer Mittelrinne; der Unterleib ist aufgetrieben, das Fleisch schlaff, das Zahngeschäft langsam und zögernd, das Gehenlernen schwer...“ siehe Altschul, Klinisch homöopathisches Taschenwörterbuch, Sondershausen 1861, S. 247-248
[2] AHP 97 Anm. (1863)
[3] KEU XXI Anm. (1860) AHP 421 (1863)
[4] Enthaltet euch, Freunde, des Lachens! Horaz, Ars poetica 5
[5] KMS 717 718 (1861)
[6] AHZ Bd. 48, Heft 22 vom 23.10.1854, geschrieben am 27.7.1854
[7] KMS 393 394 (1849)